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„Wörter=Buch von der Zigeuner=Sprache“ Frankfurt und Leipzig 1755


Herausgegeben von Klaus Siewert
2020. 128 Seiten. 40 Seiten Faksimile (Fotomechanischer Nachdruck, vollfarbig) des Originals des Wörterbuches. Weitere Abbildungen: handschriftliche Nachträge im Exemplar des Druckes in Jena, zur Geschichte der Sinti und Roma u.a. Mit Beiträgen von Norbert Boretzky. Ursprüngliche ISBN: 978-3-947218-11-0.
978-3-96769-362-1. Gebunden
EUR 28,00


Das hier als Faksimile vorgelegte „Wörter=Buch von der Zigeuner=Sprache“ von 1755, nebst einem „Schreiben eines Zigeuners an seine Frau, darinnen er ihr von seinem elenden Zustande … Nachricht ertheilet“, ist ein bedeutendes historisches Zeugnis zur Sprache und Sozialgeschichte der Sinti und Roma in Deutschland aus dem 18. Jahrhundert. Als innovativer Bildungsgegenstand steht es im weitläufigeren Kontext der Wahrnehmung von Minderheiten, ihrer Sozialgeschichte und ihrer Sprache, hier der über Jahrhunderte hinweg diskriminierten und erst Ende der 1990er Jahre als nationale Minderheit anerkannten Sinti und Roma. Das „Wörter=Buch von der Zigeuner=Sprache“ von 1755 steht mit wenigen anderen Dokumenten am Beginn der Verschriftlichung des Romani. Es ist das erste alphabetisch geordnete Wörterbuch des Romani. Das Bemühen des unbe-kannten Herausgebers richtet sich vor allem auf die lexikographische Dokumentation einer Minderheitensprache, der Schriftlichkeit zu der Zeit weitgehend fremd war. Die handschriftlichen Nachträge im Jenaer Druck sind Ausdruck wissenschaftlicher Anstrengungen um eine möglichst vollständige Erfassung des Romani-Wortschatzes nach den damals verfügbaren Quellen, unter denen das Ludolf-Glossar von 1691 eine besondere Rolle spielt. Hier ging es nicht um lexikographische Dokumentation, sondern um die Suche nach Hinweisen auf die Herkunft der Cingagori. Die Quellen des „Wörter=Buch von der Zigeuner=Sprache“ von 1755 sind nicht mehr sicher nachweisbar. Einiges deutet darauf hin, dass sich der Herausgeber auf Befragungen von Gewährsleuten stützen konnte. Jedenfalls hat er, so weit zu sehen, keine der bekannten und zeitgenössisch verfügbaren schriftlichen Quellen benutzt; das erledigt etwas später dann der Jenaer Glossator Christian Wilhelm Büttner bei seiner kompilatorischen Arbeit, die um Vervollständigung des Wortmaterials im Druck von 1755 bemüht ist. Die Sprache des Wörterbuches 1755 ist nach der romistischen Expertise von Norbert Boretzky deutsches Sinti. Das Glossar enthält etwa 360 voreuropäische Erbwörter; hinzu kommen etwa 40 Wortbildungen mit diesen Etyma. Zu den Erbwörtern kommen etwa 30 Graezismen und jeweils ca. 25 Slavismen und Germanismen. Wenn das im Wörterbuch dokumentierte Sinti tatsächlich auf Befragungen von Gewährsleuten beruhen sollte, hätte es damit ein hohes Maß an Authentizität. Von dem des Sinti unkundigen Explorators und Setzers wird es jedenfalls bei seiner Verschriftlichung bzw. bei Drucklegung verunstaltet, wie Norbert Boretzky im Einzelnen nachweisen konnte. Das „Schreiben eines Zigeuners an seine Frau, darinnen er ihr von seinem elenden Zustande, in welchem er sich befindet, Nachricht ertheilet“ ist bei formeller Betrachtung ein bilingualer Text, der dem Wörterbuchteil des Drucks exemplarisch beigegeben ist. Schaut man auf seinen Inhalt, lenkt der Herausgeber hier den Blick des Lesers auf die schwierige soziale Lage einer Minderheit, der von vielen Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts noch mit Ausgrenzung, Beargwöhnung und Diskriminierung begegnet worden ist. Ein Zeichen der Empathie und christlichen Solidarisierung setzt schließlich das handschriftlich eingetragene Vaterunser am Schluss des bewegenden Briefes.