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Sechs Fragen an Ernst Kausen

Kausen

Zum Erscheinen von "Die indogermanischen Sprachen"

Prof. Dr. Ernst Kausen (geb. 1948) studierte Mathematik, Physik und Informatik in Gießen und Hannover sowie Ägyptologie, Altorientalistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Göttingen. Er ist seit 1982 Professor für Mathematik und Theoretische Informatik an der Technischen Hochschule Mittelhessen und hat bereits mehrere Bücher zur Mathematik und verschiedene Beiträge zur Ägyptologie veröffentlicht.

Wie kommen Sie als Professor für Mathematik auf die Idee, ein solch monumentales Werk über die indogermanischen Sprachen zu verfassen?

Die einfache Antwort: Meine Interessen gelten seit der Schulzeit sowohl  mathematisch- naturwissenschaftlichen Themen als auch sprachwissenschaftlichen Fragestellungen. Nach dem Studium der Mathematik und Informatik habe ich – parallel zu meiner mathematischen Promotion und Assistentenzeit an der TU Hannover – ein Studium der Ägyptologie, Altorientalistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft an der Universität Göttingen absolviert. Die Entscheidung für die Informatik und Mathematik als Beruf war dann eher pragmatisch: für einige Jahre habe ich Computersysteme in einer großen amerikanischen Firma entwickelt, dann kam  ein Ruf auf eine Professur für Mathematik und Theoretische Informatik an der FH Gießen (heute TH Mittelhessen), den ich gern angenommen habe.

Neben diesem Beruf bin ich meinen sprachwissenschaftlichen Interessen treu geblieben und habe zunächst einige ägyptologische Beiträge in der Reihe »Texte aus der Umwelt des Alten Testaments« publiziert. Besonders intensiv beschäftige ich mich seit langem mit sprachgenetischen Fragestellungen, die das Thema meines ebenfalls bei Buske erscheinenden Buches »Die Sprachfamilien der Welt« sind, das einen aktuellen Überblick über sämtliche Sprachfamilien und isolierte Sprachen weltweit bieten wird. Als das Kapitel »Indogermanische Sprachen« in diesem Werk zu groß wurde, habe ich es kurzentschlossen herausgelöst und zu einem umfassenden separaten Werk »Die indogermanischen Sprachen« ausgebaut. Ich bin dem Buske-Verlag und seinen Mitarbeitern dankbar, dass beide Projekte ins Programm aufgenommen und fachgerecht betreut worden sind.

Welche indogermanische Sprache ist Ihrer Meinung nach besonders »mathematisch«?

»Besonders mathematisch« heißt hier wahrscheinlich »besonders regelhaft« oder »logisch«. Im strengen Sinne gibt es keine vollständig »logische« Sprache, aber unter den bekannteren indogermanischen Sprachen hat sicherlich das Lateinische eine sehr regelhafte Struktur. Ein anderer Kandidat ist das klassische Sanskrit in der Form, in der es der geniale indische Grammatiker Panini im 4. Jahrhundert v. Chr. beschrieben hat. Die Grammatiken beider Sprachen werden übrigens in »Die indogermanischen Sprachen« ausführlich behandelt, so wie auch die Grammatiken von über 20 weiteren ausgewählten Einzelsprachen.

Sprachen von mathematischer Regelhaftigkeit sind die sog. Plan- oder Kunstsprachen wie z.B. Esperanto, dessen Grundlagen der Pole Ludwik Zamenhof schon 1887 gelegt hat. Man könnte Esperanto sogar in gewissem Sinne als »indogermanisch« bezeichnen, da der Wortschatz weitgehend auf romanischen und germanischen Elementen beruht. Seine grammatische Struktur dagegen ist »agglutinierend« und erinnert somit eher an eine Turksprache.

Wie viele Sprachen sprechen Sie? Gibt es eine Sprache, die Sie unbedingt noch lernen möchten?

Wirklich gut »sprechen« kann ich nur wenige. Außer der Muttersprache Deutsch vor allem Englisch, das ich in einer amerikanischen Firma zwangsläufig perfektionieren musste. Lesen und verstehen kann ich Texte in vielen europäischen Sprachen. Auf Reisen versuche ich die jeweilige Hauptsprache des Landes wenigstens soweit zu erlernen, dass eine elementare Verständigung möglich ist. Meine indogermanischen und altorientalischen Studien brachten eine intensive Beschäftigung mit den wichtigsten Sprachen des Altertums mit sich, darunter Latein, Griechisch, Hebräisch (diese drei habe ich schon auf der Schule erlernt), Ägyptisch, Sumerisch, Elamisch, Akkadisch, Hethitisch und Sanskrit. Eng damit verbunden – und bei den nicht-alphabetischen äußerst aufwendig – ist das Erlernen der jeweiligen Schriften.

Mein Ziel bei der ernsthaften Beschäftigung mit einer Sprache ist weniger die Kommunikationsfähigkeit in diesem Idiom, sondern vielmehr das Erarbeiten und Erkennen ihrer phonologischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Struktur und Funktionsweise. Diese umfassende Beschäftigung mit vielen Sprachen weltweit hat sich in meinen beiden letzten Büchern niedergeschlagen. Besonders lohnenswert scheint mir dabei das Herausarbeiten der sprachlichen Strukturen zu sein, die sich von denen einer typischen europäischen Schulsprache abheben.

Was halten Sie von einer bewussten Sprachpflege als Gegenmittel zum »Sprachverfall«?

Gar nichts. Sprachen sind selbstregulierend. »Sprachverfall« im oft beklagten Sinne gibt es nicht, Sprachen entwickeln sich weiter. Dass dabei manche Entwicklungen selbsternannten »Sprachschützern« nicht gefallen, steht auf einem anderen Blatt. Gerade die Veränderlichkeit macht eine Sprache interessant, nur durch linguistische Evolution konnte das breite Spektrum an Sprachen entstehen, das wir heute vorfinden.

Zu bedauern ist allerdings das rasante Sprachensterben: Der letzte Sprecher der Hälfte aller Sprachen weltweit lebt bereits heute. Anders ausgedrückt: In spätestens drei Generationen wird die Hälfte der heute rund 6.000 existierenden Sprachen ausgestorben sein. Auch diese Tatsache war für mich eine starke Motivation, die »Sprachfamilien der Welt« zu schreiben, um eine Momentaufnahme der weltweiten Sprachenlandschaft zu Beginn des 21. Jh. zu geben, die in ihrer heute noch vorhandenen Vielfalt bald der Vergangenheit angehören wird. Mit jeder Sprache, die untergeht, geht ein ganzer Kosmos an Erkenntnissen, Mythen und Traditionen verloren. (Nur die wenigsten bedrohten und untergegangenen Sprachen sind Schriftsprachen.) Die Dramatik des Sprachensterbens – zurzeit stirbt alle zehn Tage eine Sprache, jedes Jahr also 35 – ist auch in »gebildeten Kreisen« fast unbekannt, obwohl sie viel rasanter als das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten verläuft.

Mit welchem der bedeutenden Linguisten des 19./20. Jahrhunderts hätten Sie gern einmal eine Diskussion über Sprache geführt?

Da nenne ich ohne jedes Zögern den amerikanischen Linguisten Joseph Greenberg (1915-2001). Er ist für mich der größte Linguist des 20. Jahrhunderts. Greenberg hat die Theorie der Sprachuniversalien begründet und entwickelt. Die genetische Klassifikation fast aller Sprachen der Erde hat er maßgeblich beeinflusst; insbesondere die völlige Neugliederung der afrikanischen Sprachen ist sein bleibendes Vermächtnis. Kein anderer Linguist des 20. Jh. hat auch nur annähernd ein so weites Feld beackert. Es sei aber auch nicht verschwiegen, dass manche seiner Theorien und Methoden umstritten sind. Für Details verweise ich auf »meinen« Wikipedia-Artikel »Joseph Greenberg«.

Welche sprachliche Herausforderung nehmen Sie als Nächstes in Angriff?

Ich könnte mir eine umfassende Darstellung etwa der sog. Niger-Kongo-Sprachen vorstellen, die allerdings auch in den »Sprachfamilien der Welt« einen angemessenen Raum einnehmen werden. Aber zunächst steht die Fertigstellung der »Sprachfamilien« im Vordergrund.

Die Fragen stellte Maureen Grönke, Lektorin im Buske Verlag.
 

Die Sprachfamilien

Alle achttausend Sprachen und Sprachengruppen In den beiden Bänden der »Sprachfamilien der Welt« werden zusammengenommen mehr als 8.000 Sprachen und Sprachengruppen genannt! Am Ende beider Bücher ist  jeweils ein vollständiges Register mit allen Seitenverweisen enthalten.

Nur die hier » verlinkte und 41 Seiten umfassende PDF listet alle im »Kausen« behandelten Sprachen und Sprachengruppen!

Die Sprachfamilien der Welt, Teil 1 und 2:
Europa und Asien Afrika - Indopazifik - Australien - Amerika 2 Bände XXXVIII, 1.039 Seiten + XVIX, 1.258 Seiten und 11 farbige Karten
978-3-87548-586-8. Gebunden 276.00
» Zum Webshop

Die Sprachfamilien der Welt, Teil 1:
Europa und Asien XXXVIII, 1039 Seiten und 7 farbige Karten 978-3-87548-655-1.
Gebunden 128.00
» Leseprobe

Die Sprachfamilien der Welt, Teil 2:
Afrika - Indopazifik - Australien - Amerika XLIX, 1.258 Seiten und 4 farbige Karten 978-3-87548-656-8.
Gebunden 148.00
» Leseprobe


Stimmen zum Buch:

Interview mit Ernst Kausen in der Sendung "Scala" / WDR

»Babel und die Folgen: Ernst Kausen legt eine Enzyklopädie aller Sprachfamilien der Welt vor, in der man nicht nur nachschlagen, sondern sich auch festlesen kann.«
Frankfurter Allgemeine, 2. Juni 2015

»Nachdem nun im Hamburger Buske Verlag das zweibändige Mammutwerk erschienen ist, sprechen die Forscher weltweit von einem ›Lebenswerk‹, das Kausen vorgelegt habe.«
Zum Artikel im Gießener Anzeiger (erschienen 19.2.2015).

»Bemerkenswert ist die inhaltliche Tiefe der Darstellung. [...] Wenn erforderlich, stellt der Autor auch alternative Lehrmeinungen vor und bewertet sie hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit. [...] Es handelt sich um ein Standardwerk, das sowohl als Lesebuch wie auch als Nachschlagewerk für den historisch und kulturgeschichtlich interessierten Leser eine unverzichtbare Lektüre darstellt.«
AmerIndian Research, Bd. 10/2 (2015), Nr. 36

Annemarie Stoltenberg rezensierte auf NDR Kultur (Text) und der Beitrag wurde am 7. Januar ausgestraht.

Knut Cordsen sprach am 7. Februar auf Bayern 2 mit unserem Autor.

»Eine systematische Gesamtdarstellung aller Sprachfamilien, auch für sprachinteressierte Laien geeignet«
Robert Sedlaczek in der Wiener Zeitung.


»›Die Sprachfamilien der Welt‹ ist ein Wissens- und Leseabenteuer, das einen in vielfacher Hinsicht bereichert: Neben dem genealogischen Reiz, den die Verwandtschaftsbeziehungen der Sprachen auf den Leser ausüben, ist es die Vielfalt der menschlichen Ausdrucksweisen, die einen fasziniert. [...] ›Die Sprachfamilien der Welt‹ hat das Zeug zu einem Standardwerk, das in keiner Bücherei oder Institutsbibliothek fehlen, und auch in Privatbibliotheken einen Stammplatz erhalten sollte.«
Börsenblatt Spezial "Sachbuch & Wissen" 13 November 2014

Interview im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels (Michael Roesler-Graichen am 19. April 2012)

 

Die indogermanischen Sprachen

Die indogermanischen Sprachen von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart
XXXVI, 739 Seiten und vier farbige Tafeln. 978-3-87548-612-4 Gebunden 68.00

» Leseprobe

» Zum Webshop

 

Stimmen zum Buch:

Mit seinem Werk hat er vielen Linguistik- und Germanistikstudenten einen großen Gefallen getan: Er liefert ihnen ein leicht verständliches und gut strukturiertes Werk, mit dem es Spaß macht sich an die Thematik heranzuwagen. [...] Unser Fazit: Mit 'Die indogermanischen Sprachen' liefert Ernst Kausen eine gelungene Abhandlung über die indogermanischen Sprachen, ihre Entstehung, Weiterentwicklung und Verbreitung. Das Buch ist jedem Leser zu empfehlen, der ein Interesse an Sprache hat – egal, ob mit oder ohne Vorkenntnisse in diesem Gebiet.
studiennavigation.de

Ein wertvolles Überblickswerk für den universitären Unterricht, das in dieser Art bislang nicht vorgelegen hat und das so manchem, wie der Autor selbst treffend bemerkt (XV), 'zu Beginn (des) sprachwissenschaftlichen Studiums gefehlt hat'. Es ist sowohl Einsteigern als auch schon etwas Fortgeschritteneren im sprachwissenschaftlichen Studium zur Lektüre zu empfehlen.
Dr. Peter Öhl, Uni Freiburg

Der Autor legt mit diesem Titel eines der umfangreichsten Nachschlagewerke zur Indogermanistik allgemein von den Anfängen bis zur Gegenwart und zur Typologisierung der indogermanischen Sprachen und Sprachgruppen im Besonderen vor.
Dr. Hartmut Liste, ZE Sprachenzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin

Geordnete Übersicht und eine klare Struktur
Sprachnachrichten 54 (II/2012)

... bietet einen idealen Einstieg in die Vergleichende Sprachwissenschaft. Es wird sowohl dem Anspruch eines Nachschlagewerkes als auch dem eines Sachbuches gerecht.
Bibliothek des Deutschen Seminars an der Universität Zürich

Une véritable encyclopédie sur les langues indo-européennes schreibt die französisch-deutsche Zeitschrift Dokumente/Documents in Heft 2/2012 und weiter: Mit seiner umfangreichen Studie liefert Ernst Kausen ... ein Nachschlagewerk für Fachwissenschaftler linguistischer Disziplinen und sprachinteressierte Laien, das den Zugang zu Historie und Gegenwart der indogermanischen Sprachen ermöglicht.